Er hat viele Fragen, der 60-jährige VIVAWEST-Mieter, der seit fast 40 Jahren im Walkmühlenweg wohnt und sich an diesem Tag auf den Weg zum Infomarkt gemacht hat, um sich einen Einblick in das Modellprojekt Bergmannsgrün zu verschaffen. Voraussichtlich 2024 wird seine Wohnung modernisiert, und der Mieter möchte wissen, wie genau die Sanierung ablaufen wird. Was bedeutet der Einbau eines neuen Bads konkret? Und wo kommt dann der Stromzähler hin? Solche und ähnliche Fragen beantwortet Michael Fischer, Leiter des Baubüros und Projektsteuerer, an diesem Tag immer wieder. In einem Punkt kann er den besorgten Mieter dabei schon mal beruhigen: Der Fliesenspiegel in der Küche bleibt aller Voraussicht nach unangetastet.
Genau um diesen direkten Austausch zwischen Mietern und Anwohnern sowie den für das Projekt Bergmannsgrün Verantwortlichen ging es beim ersten Infomarkt, den VIVAWEST am 13. Mai 2022 in Dortmund-Huckarde durchführte und der von weit über hundert Interessierten besucht wurde. In dem 384 Wohnungen umfassenden Quartier zwischen Walkmühlenweg, Thielenstraße, Brunshollweg und Pothmorgenweg entsteht bis zum Jahr 2027 ein ökologisch vorbildliches Viertel mit bezahlbaren Wohnungen für alle Generationen, einem Quartierszentrum und einer Kita. Dabei realisiert VIVAWEST durch die Aufstockung von Bestandsgebäuden zusätzlichen Wohnraum. Um darüber hinaus barrierefreie Wohnungen zu schaffen, werden 144 Wohnungen abgerissen; an ihrer Stelle entstehen Neubauten mit 201 Wohneinheiten, von denen mindestens 30 Prozent öffentlich gefördert werden. Insgesamt investiert VIVAWEST über hundert Millionen Euro in das Vorhaben.
Verunsicherung ernstnehmen
Dass ein solches Großprojekt insbesondere bei denjenigen Mietern, deren Wohnung abgebrochen wird und die sich deshalb eine neue Bleibe suchen müssen, Verunsicherung auslöst, liegt auf der Hand. VIVAWEST hat deshalb ein umfassendes Beteiligungskonzept entwickelt, zu dem auch der Infomarkt im Mai gehörte. Grundidee dieses innovativen Veranstaltungsformats war es, den Mietern und Anwohnern Gelegenheit zu geben, ihre Fragen und Sorgen im persönlichen Gespräch den Verantwortlichen vorzutragen und aus erster Hand die für sie relevanten Informationen zu bekommen.
Zu diesem Zweck baute VIVAWEST auf einer Freifläche im Walkmühlenweg ein 200 Quadratmeter großes Zelt auf, das Raum für mehrere Themenstände bot. „Was passiert hier überhaupt?“ war eine der Fragen, die beantwortet wurden; eine andere lautete „Wie sieht die Unterstützung von VIVAWEST aus?“ An weiteren Ständen erläuterten Fachleute anhand großer Visualisierungen den Stand des Bebauungsplans, informierten über die Möglichkeiten, sich in die Planung einzubringen, und standen für Anliegen zur Verfügung, die zwar mit VIVAWEST, aber nicht direkt mit Bergmannsgrün zu tun hatten. Vor Ort präsent waren außerdem das Unternehmen IKU – Die Dialoggestalter, das VIVAWEST bei der Konzeption des Infomarkts beraten hatte, und die GrünBau gGmbH, die sich um die nachbarschaftliche Aktivierung im Quartier kümmern wird. Ebenfalls mit einem Stand vertreten war der Mieterverein Dortmund.
Konkrete Fragen im Vordergrund
Besonders stark frequentiert waren diejenigen Stände, an denen die Mieter Antworten auf konkrete Fragen zum Ablauf der Bauarbeiten und zu deren Auswirkungen auf ihre Wohnung bekamen. Ein Paar erkundigte sich beispielsweise, ob die pflegebedürftige Mutter in Huckarde wohnen bleiben könne. Ein älterer Mieter, dessen Wohnung erhalten bleibt, äußerte die Befürchtung, wegen der Bauarbeiten „jahrelang in Staub und Dreck“ wohnen zu müssen. Ein weiterer Interessent fragte, ob es auch große, familiengerechte Neubauwohnungen geben werde. Und Karl-Heinz Radzikowski, 74-jähriger Mieter aus dem Walkmühlenweg, wollte wissen, wie lange der Einbau der neuen Heizung dauern werde. Für ihn stehe fest, dass er im Quartier wohnen bleibe, sagte er: „Huckarde ist so ein schönes Pflaster! Und in wenigen Minuten ist man in der Stadt.“
Dass die meisten Mieter im Quartier bleiben möchten, sei in vielen Gesprächen deutlich geworden, stellte auch Pascal Schoppol fest, Teamleiter Vermietung, der sich als einer von zahlreichen VIVAWEST-Mitarbeitern den Fragen der Mieter stellte. „Bei den Menschen, die seit Jahrzehnten hier verwurzelt sind, gibt es verständlicherweise eine gewisse Unsicherheit “, sagte Schoppol. „Diese wollen wir ihnen nehmen.“ Viele Mieter, so die Beobachtung von Schoppol, wollten wissen, wann genau es bei ihnen mit den Bauarbeiten losgehe. Einige sähen darin aber auch die Möglichkeit, sich zu verändern und beispielsweise in eine kleinere Wohnung umzuziehen.
Nicht nur VIVAWEST-Mieter hatten die Möglichkeit, sich zu informieren, sondern auch Bewohner der an das Quartier angrenzenden Einfamilienhäuser. Einzelne von ihnen äußerten die Befürchtung, die geplante Kita werde zu Lärmbelästigung führen, wie Gregor Polaczek, Architekt bei VIVAWEST, berichtete. Aber gerade die Kita, so Polaczek, sei – genau wie das am Quartierseingang platzierte Casino – wichtig für das soziale Miteinander im Quartier
Frühzeitige Information gefordert
Welche Themen die Anwohner und Mieter umtreiben, machte eine Wand am Stand von IKU – Die Dialoggestalter deutlich, auf der die Besucher ihre Fragen notieren konnten: Wann wird bei mir gebaut? Wie stark steigt bei der Modernisierung die Miete? Wer kommt für die Schäden an der Straße auf? Auch Kritik wurde geübt. Zum Beispiel sei das Baubüro nicht sichtbar genug. „Hinweise wie diese haben wir gern mitgenommen und werden die Verbesserungsvorschläge so schnell wie möglich umsetzen“, sagte Projektleiter Dr. Maurizio Lindemann. Dazu gehört auch der Umgang mit der vielfach geäußerten Kritik am Namen „Bergmannsgrün“. Hier plant VIVAWEST den Mietern und Anwohnern neue Vorschläge zu machen und über den finalen Quartiersnamen abstimmen zu lassen.
Dass sich manche Bewohner trotz der frühzeitigen Information (geschulte Mitarbeiterbesuchten frühzeitig alle vom Abriss betroffenen und auch weitere Mieter) nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt fühlen, merkte auch VIVAWEST-Mieter Mirsad Rahmanovic an. Er habe den Eindruck, dass sich vor allem Mieter, die nicht gut deutsch sprächen, überfordert fühlten. „Da ist erstmal nur Angst“, sagte Rahmanovic, der selber voraussichtlich im Jahr 2024 aus seiner Wohnung wird ausziehen müssen. Das sei zwar nicht schön für ihn, da er unbedingt in Huckarde bleiben wolle, wo er seine Freunde und seinen Fußballverein habe, sagte Rahmanovic. Trotzdem begrüße er das Projekt Bergmannsgrün: „Alles, was Huckarde aufwertet, finde ich gut.“ Auch den Infomarkt bewertete der VIVAWEST-Mieter positiv: Er jedenfalls habe auf alle seine Fragen eine Antwort bekommen.
Er nehme wahr, dass man mit VIVAWEST sprechen könne, sagte auch Markus Roeser, der wohnungspolitische Sprecher des Mietervereins Dortmund. Der Mieterverein war der Einladung von VIVAWEST gefolgt, sich mit einem eigenen Stand am Infomarkt zu beteiligen. Allerdings sei der geplante Abriss nicht zuletzt aus Klimaschutzgründen kritisch zu bewerten, sagte Roeser weiter. Der Baubestand sollte nach Ansicht des Mietervereins möglichst erhalten bleiben. Bei den Mietern sei eine große Verunsicherung spürbar. Der Mieterverein werde die Interessen der Mieter in konstruktiver Weise vertreten, hieß es am Stand weiter.
Bürgermeister lobt Projekt
Eingeladen zum Infomarkt waren auch Lokalpolitiker. Anwesend war unter anderem Stefan Keller, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Dortmund-Huckarde. Er wertete das Projekt Bergmannsgrün grundsätzlich positiv, mahnte aber die Berücksichtigung der sozialen Belange an.
Die Interessen der Mieter lägen ihm am Herzen, betonte auch Norbert Schilff (SPD), Bürgermeister der Stadt Dortmund und Mitglied im Aufsichtsrat der zu VIVAWEST gehörenden Vestischen Wohnungsgesellschaft. „Die soziale Komponente ist ganz wichtig“, betonte Schilff. Niemand dürfe verdrängt werden. Grundsätzlich sei das Projekt aber sehr zu begrüßen, da es eine erhebliche Aufwertung des Stadtteils bedeute. Auch den vorgesehenen Abriss unterstütze er, da Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen sei. Optimistisch äußerte sich der Bürgermeister zum weiteren Vorgehen: „Ich glaube, dass am Schluss die meisten Beteiligten zufrieden sein werden.“
Erfolgreiche Bilanz des Infomarkts
Zufrieden zeigte sich auch Dr. Maurizio Lindemann: Alle Erwartungen an den Infomarkt seien erfüllt worden, bilanzierte er und sprach von einem „Meilenstein in der kommunikativen Strategie“. Der letzte Meilenstein bleibt es nicht: „Der Infomarkt war der Auftakt zu weiteren Gesprächs- und Beteiligungsformaten, in denen wir Ideen und Wünsche sammeln und – wenn möglich – in die Quartiersentwicklung einfließen lassen möchten“, betonte Dr. Lindemann. Mieter hatten denn auch auf dem Infomarkt die Möglichkeit, ihr Interesse am „Forum Bergmannsgrün“ anzumelden, das in regelmäßigen Abständen Vertreter der Mieter und der örtlichen Interessensgruppen mit VIVAWEST an einen Tisch bringt.
Dass sich die Menschen in Huckarde wohl fühlen, zeigte im Übrigen das Geschehen außerhalb des Zelts. Dort hatten die VIVAWEST-Verantwortlichen Tische und Bänke aufbauen lassen, und an einem Coffee-Bike und einem Food-Truck konnten sich die Besucher mit Kaffeespezialitäten, alkoholfreien Getränken, Bratwurst und Pommes versorgen. Viele Mieter nutzten die Gelegenheit, um miteinander ins Gespräch zu kommen, sodass die Veranstaltung, wie ein Beobachter schmunzelnd feststellte, „Züge eines Nachbarschaftsfests“ annahm.