Ein Jahr lang hat er woanders gelebt – und kam reumütig zurück. Siegfried Kessel kann einfach nicht ohne seine Schüngelbergsiedlung. Hier ist er groß geworden, hier leben seine Freunde, hier engagiert er sich, damit etwas vom Zusammenhalt der alten Zeiten bleibt. Sein Zuhause in Gelsenkirchen-Buer entstand 1897 als Arbeitersiedlung in der Nähe der ehemaligen Zeche Hugo, wurde denkmalgerecht saniert, mit einem Neubauprojekt verbunden und ist längst ein modernes Wohnquartier. Obwohl er nur „um die Ecke“ gezogen war, hielt er es nicht aus: „Mir fehlten die Halde, die Menschen, die alte Umgebung. Ich fühle mich hier pudelwohl“, sagt Kessel, der seit 63 Jahren in der Schüngelbergsiedlung wohnt – mit diesem einen Jahr Unterbrechung.
Der „harte Kern“ ist geblieben
Viele sind nach den Zechenschließungen weggezogen, ein harter Kern aber ist geblieben: „Es leben noch etwa 40 Personen hier, mit denen ich groß geworden bin und auf dem Pütt gearbeitet habe“, sagt der pensionierte Bergmann. Wenn er von den guten alten Zeiten erzählt, in denen man auf der Treppe vorm Haus gemeinsam Akkordeon und Gitarre gespielt hat, kommt er ins Schwärmen. Man sei aufeinander zugegangen, habe sich unterhalten.
Gemeinschaft fördern
Diesen alten Gemeinschaftsgeist versucht er als Vorsitzender des Fördervereins Schüngelberg, der auch von VIVAWEST unterstützt wird, am Leben zu halten. Bastelkurs, Kochkurs, Ferienfreizeit – besonders für Kinder wird viel geboten, aber auch Seniorennachmittage und Feste veranstaltet der Verein. „Ich kann nicht nur einfach am PC sitzen oder spazieren gehen, ich muss immer was tun“, sagt der 66-Jährige. Besonders gefragt sind Kessels Führungen durch die Siedlung. Gerade über Kinder entstehe oft der Kontakt zu den Zugezogenen. Neben den ehemaligen Bergleuten wohnen auch junge Familien unterschiedlichster Nationalitäten und Kulturen in der Siedlung. „Ich komme hier super klar mit allen, so, wie ich das auf dem Pütt gelernt habe: Man soll sich freundlich begegnen und zusammenhalten.“
Moderne Wohnung mit großem Balkon
Kessel wohnt in einem Gebäude aus den 60er-Jahren – seine vierte Wohnung in der Siedlung. Als Kind musste er sich mit sechs Geschwistern ein Kinderzimmer in einer Wohnung ohne Bad teilen. „Jetzt ist es bei uns richtig modern, und wir haben einen großen Balkon.“ Die Halde Rungenberg ist heute ein beliebtes Ausflugsziel: „Im Sommer ist es so schön begrünt hier, und von oben hat man eine tolle Aussicht aufs Ruhrgebiet.“