Eine bessere Lage hätte sich der kleine Baumbewohner kaum aussuchen können. Hoch oben in einer Pappel bietet die Spechthöhle den besten Blick auf die nahe Rungenberghalde. Doch schon bald wird die Aussicht von einer anderen Adresse genossen.
Holger Gerhard, Bauleiter Baumpflege beim VIVAWEST-Dienstleistungsunternehmen HVG Grünflächenmanagement, ist zusammen mit den Baumpflegern Florian Seppelfricke und Daniel Allmenröder in der Bergarbeitersiedlung in der Nähe der ehemaligen Zeche Hugo angerückt, um zwei kranke Pappeln zu fällen. Bei einer der regelmäßigen Kontrollen ist aufgefallen, dass die beiden Bäume, die am Spielplatz der Siedlung Schatten spenden, von innen faul sind. Um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, müssen sie gefällt werden.
Bevor allerdings die erste Pappel fallen kann, muss eine Spechthöhle aus dem kranken Baum herausgeholt und in einem der gesunden Nachbarn wieder eingesetzt werden. Mitgebracht haben die drei dafür neben diversen Motorsägen auch einen Hubsteiger und Teleskoplader.
215 Habitatbäume tragen zur Erhaltung der Biodiversität bei
An einer der beiden Pappeln ist ein kleines grünes Schild angebracht. „Das hier ist einer unserer aktuell bekannten 215 Habitatbäume, die wir bei Vivawest im Bestand haben“, erklärt Bauleiter Holger Gerhard. „Das sind Bäume, die Tieren und Pflanzen wertvolle Rückzugsmöglichkeiten und spezielle Lebensräume bieten, wie zum Beispiel Bruthöhlen oder Nester. Sie tragen damit zur Erhaltung der Biodiversität in unseren Quartieren bei.“ Eine dieser Rückzugsmöglichkeiten befindet sich in der Pappel. Hier hat ein Specht erst ein Loch in den Baum geschlagen und es dann zu einer Höhle ausgeweitet.
Wertvolle Rückzugsmöglichkeiten für Pflanzen und Tiere
Der erste Mieter ist allerdings bereits wieder ausgezogen, denn im Moment ist die Höhle leer. „Das wird aber nicht lange so bleiben“, sagt Holger Gerhard. „Oftmals beziehen Blaumeisen oder Fledermäuse leere Spechthöhlen und nutzen sie weiter.“ Ehe die Arbeiten wirklich beginnen, untersucht Holger Gerhard noch einmal, ob ein Eingriff wirklich notwendig ist. Mit einem Hammer klopft er die Stämme der Pappeln ab. So prüft er, ob sich im Baum Hohlräume gebildet haben. Dann zückt er einen langen Metallstab und sticht in diese Hohlräume hinein, um den Fäulnisgrad zu prüfen. Der Stab geht tief in den Baum hinein. Nun ist endgültig klar: Um die Sicherheit der spielenden Kinder zu gewährleisten, muss er gefällt werden.
Arbeit in luftiger Höhe
Dann beginnen die Baumpfleger der HVG mit ihrer Arbeit. In luftiger Höhe sägt Florian Seppelfricke die Spechthöhle frei, während sein Kollege Daniel Allmenröder ihn vom Boden aus sichert. Das Stück Pappel wird schließlich mit einem beherzten Schnitt vom Stamm getrennt und mit einem Seil langsam auf den Boden heruntergelassen. Ein neuer Ort für die Höhle ist bereits befunden. In direkter Nachbarschaft befindet sich eine weitere, gesunde Pappel. Hier wird das Stück Stamm nun angebracht. Dafür wird der Hubsteiger erneut in Position gebracht.
Die Spechthöhle wird an einem Stahlseil hochgezogen und im neuen Baum in Position gebracht. Dann befestigen die HVG-Baumpfleger sie mit zwei Spanngurten. Um die Rinde des neuen Baumes nicht zu beschädigen, werden kleine Abstandshölzer unter den Gurten angebracht. So verteilt sich der Druck gleichmäßig am Stamm. Florian Seppelfricke und Daniel Allmenröder müssen die Spechthöhle oben im Baum noch ein wenig einpassen, damit sie sicher hängt und dort auch wieder Tiere wohnen können. Dann ist endlich geschafft. Nun könne die neuen Mieter einziehen.